Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Jeder Anfang ist schwer. Ich empfand das Ende zuvor jedoch als noch viel schwerer.
Bevor Carla mein Leben auf den Kopf stellte, war es Basset-Hound-Rüde Bruno, der mit mir durch die Landschaft strich und mich beim Erwachsenwerden begleitete.
Ein ruhiger, ja fast schon stoisch entspannter und absolut liebevoller Hundemann: Bruno trat kurz vor meinem 12. Geburtstag in mein Leben. Einmal einen Basset gemütlich lümmelnd auf einem Sofa portraitiert gesehen und es war um mich geschehen – ich wollte unbedingt einen Basset. Nach vielem Betteln und noch mehr Versprechungen, dass ich mich auf jeden Fall und immer um den Vierbeiner kümmern würde, hatte ich es geschafft und Bruno zog ein. Mein erster Hund. Mein Traumhund.
Von dem Tag an waren wir unzertrennlich und ich machte ernst: Nichts ging ohne Bruno.
Sämtliche Wanderurlaube, Seilbahnfahrten und die Tage am Meer – stets amüsant, immer eine Herausforderung. Am Berg eigentlich zu kurzbeinig und für jegliche Aktivitäten rund ums kühle Nass zu wasserscheu, war er doch immer dabei. Mit Bruno lernte ich das Meditieren. Gar nicht so schlecht, bei meiner Ungeduld. Bruno hatte Nachsicht mit mir. Ihn brachte nichts aus der Ruhe. Absolut nichts und niemand.
Nach 11 1/2 Jahren gemeinsamer Abenteuer dann der Schock: Nierenversagen. Wie sollte es weitergehen? Unvorstellbar für mich ohne meinen Bruno zu sein, zu existieren. Doch ich lies ihn gehen. Entließ ihn in die Ruhe.
Danach war alles still. Kein Tapsen auf dem Parkett im Wohnzimmer mehr, kein freudiges Bellen an der Tür wenn ich nach Hause kam und vor allem dieses leere Körbchen.
Diese Ruhe erträgt doch keiner. Ich jedenfalls nicht. Also floh ich. Fuhr zu Verwandten nach Chemnitz. Der Plan: Ablenkung, viel Familie treffen und noch mehr Sightseeing.
Doch wie heißt es so schön? Das Leben ist das, was passiert während wir andere Pläne machen. Ich stimme zu. Dabei hätte ich es eigentlich wissen müssen. Schließlich hat Planen bei mir noch nie funktioniert.
Wie durch Zauberhand stieß ich in Chemnitz auf Carla. Von einem privaten Züchter in der dortigen Tageszeitung inseriert, fand ich zufällig das Bild der zwei kleinen American-Akita-Schwestern. Zwei weiß-schwarze Bärchen mit süßen Ringelschwänchen. Zucker, ganz klar.
Aber wollte ich schon wieder einen Hund? So schnell nach Bruno? Eigentlich nicht.
Und erst recht keinen Akita. Doch schon einen Tag später fand ich mich aller Zweifel zum Trotz im Garten der Züchter wieder. Und was soll ich sagen? Ich nahm das kleine, niedliche aber grenzwertig schüchterne und sensible Akita-Mädchen mit.
Ich war auf Vieles vorbereitet. Wusste ich doch, dass der Akita kein einfacher Hund ist, bei dem es Führungsqualitäten braucht.
Aber was dann tatsächlich auf mich und Carla zukam, hätte ich mir so auch niemals vorgestellt.
Von ihrer anfänglichen immensen Angst vor dem Autofahren, über die Scheu vor Männern, Mülltonnen, lauten Geräuschen jedweder Art, bis hin zu der Skepsis roher Möhren gegenüber – wir haben alles gemeinsam erlebt.
Doch auch wenn sich das jetzt rückblickend ganz amüsant ließt, so war es für mich doch ein Anfang mit großen Hindernissen. Denn, so niedlich meine kleine Carla auch aussieht, sie ist definitiv eine völlig andere Hausnummer als „Bruno der Basset“.
Ich musste vieles lernen und einiges an meiner Führungsqualität überdenken. Denn „Gräfin Carla“ verzeiht keine Erziehungsfehler. Sie ist nicht nachsichtig wenn das Kommando heute anders lautet als gestern und übernimmt auch gerne mal die Leitung, wenn sie vermutet, dass ichgerade versage.
Heute – sieben Jahre später – kann ich sagen: Wir sind ein Team. Wir ergänzen uns. Ich kenne sie und sie versteht meine Sprache. Nach unzähligen Stunden auf Trainingsplätzen und in Hundegruppen feiern wir mittlerweile unsere ruhigeren Runden in trauter Zweisamkeit.
Die letzten Jahre mit ihr waren eine Herausforderung, doch auch immer die pure Freude.
Nach Brunos Tod glaubte ich nicht, noch einmal eine so enge Verbindung mit einem Hund aufbauen zu können. Doch dann kam Carla!
Vielleicht weil sie ein Akita ist, vielleicht aber auch nur weil sie sie ist. Sie ist es ganz einfach und wird es immer sein. Mein Mädchen, mein Carlinchen, mein Seelenhund.
Unserem Anfang wohnte ein Zauber inne, der zum Glück bis heute nicht verflogen ist.
