Carla und der Sommer

unsere Flucht vor Gräsern, Pollen und Sprühmitteln

Das Meer ruft uns. Den Alltag hinter sich lassen und ganz einfach einmal ganz tief durchatmen. Ein Traum. Vor allem mit Hund. Wie wichtig diese Pause ist, fühle ich immer wieder und besonders in den Sommermonaten. Nicht nur ich wirke ab Juli zunehmend fahrig und gestresst, auch Carla würde wahrscheinlich am liebsten aus ihrer Haut fahren. Denn pünktlich im April und Mai beginnen alle heimischen Winzer in unserer Umgebung ihre Rebstöcke und Trauben mit Pestiziden gegen sämtliches Ungeziefer und Schädlinge zu schützen. Dabei verteilen sie mit ihren Traktoren tonnenweise giftig, feinen Nebel auf den Pflanzen. Was dabei in der direkten Umgebung, auf Feldwegen oder den Wiesen landet, darum kümmern sich die wenigsten. Leider. Das alles hätte mich vielleicht auch nicht sonderlich interessiert, würde sich Carla nicht in einem Zeitraum von etwa vier Monaten beginnen Pfoten, Beine und Schnauze wund zu jucken. Sie leckt, kratzt und schubbert ihre Nase an allen Sesseln, Teppichen und Sofas die wir haben, auf. Schlicht und ergreifend: Von April bis September leidet sie.
Auch wenn ich nicht mit Sicherheit sagen kann, dass die Wurzel allen Übels die Spritz- und Sprühmittel im Weinbau sind, so verhärtete sich mein Verdacht im Laufe der Jahre immer mehr. Ist es doch so, dass Carla in Regionen in denen kein intensiver Weinbau betrieben wird, kaum bis gar keine allergischen Symptome zeigt.
Beschäftigt man sich außerdem einmal etwas intensiver mit den Spritz- und Sprühgewohnheiten der Winzer, so ist es durchaus möglich, dass viele Hunde nicht nur auf Grasmilben oder Pollen, sondern eben auch darauf allergisch reagieren. Bei konventionellen Winzern ist es demnach üblich präventiv gegen Schädlinge, Pilzbefall und mögliche Bakterien vorzugehen. Das bedeutet, ohne die Gewissheit, dass der Rebstock befallen ist, behandeln sie ihn mit Pestiziden, Fungizide und Bakteriziden. Auch wenn der Trend immer mehr auf Seiten der biologischen Winzer, und damit auch den sanfteren Behandlungen ist, so haben noch längst nicht alle Weinbauern umgestellt.

Zu Beginn von Carlas Symptomen – vor nunmehr fast fünf Jahren – versuchte ich noch ihr mit kühlenden Tüchern, einem Sud aus Ringelblumentee, unzähligen Duschen mit medizinischen Shampoos und sämtlichen anderen Hausmittelchen Linderung zu verschaffen. Doch wenn die Schnauze und der Nasenrücken deines Hundemädchens erst einmal richtig blutet, dann komme selbst ich an meine Grenzen. Irgendwann musste ich andere Maßnahmen ergreifen. Die „Rettung“, oder vielmehr die Lösung gegen die Symptome: Apoquel-Tabletten. Entgegen meiner Überzeugung – so wenig Chemie wie nur möglich an Carla zu lassen – gab ich ihr das Medikament. Und siehe da: Der immense Juckreiz lies nach. Ein Wunder. Auch wenn ich nur eine Tablette á 16 mg pro Tag verabreiche und immer wieder Pausentage einlege, ist es gerade in den Sommermonaten eine Unterstützung für sie. Meine Sorge um Nebenwirkungen und langfristige Schädigungen an Organen allerdings bleibt. Vor allem, da sämtliche Studien zu dem recht neuen Medikament nicht wirklich aussagekräftig oder geschweige denn sicher scheinen. So bin ich also auch weiterhin auf der Suche nach einer homöopathischen, rein natürlichen Lösung gegen Carla’s Juckreiz.

Doch einen Lichtblick zwischen all den Tablettenpackungen und Shampooflaschen gibt es. Die Flucht ans Meer. An der Küste kann sie völlig befreit von jeglichen Symptomen den Sommer genießen. Kein Jucken, kein Beißen an den Pfoten mehr – nichts außer Ruhe und Frieden. Das Salzwasser, eine andere Flora und Fauna und was am schönsten ist … die absolut reine Luft. All das macht einen völlig anderen Hund aus ihr. Da taucht sie dann wieder auf: Meine entspannte Carla. Die einfach nur die Sonne, das Wasser und den Strand genießen kann.
Es ist wie Sommerfrische und Kuraufenthalt in einem. Wir beide lieben es. Auch wenn sich unsere Freude völlig unterschiedlich äußert. Denn während ich einen immensen Motivationsschub erlebe und den ganzen Tag zu Fuß on Tour alle Umgebung anschauen und entdecken möchte, liegt meine Akita-Dame am liebsten majestätisch, mit in Richtung Wellen ausgestreckten Pfoten im Sand und schaut aufs Meer. Stundenlang kann sie so verharren. Es muss toll sein, wieder zur inneren Ruhe gefunden zu haben. Ich gönne es ihr von Herzen.

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